Reben und Reben lassen • Biowein auf Mallorca
Was bringt das ganze Getue um heimische Sorten und authentischen Wein, wenn alle Winzer den Boden erst mal kräftig durchpflügen, um bisheriges Leben zu zerstören und dann mit denselben Produkten der einschlägigen Konzerne zu düngen? Und wenn überall auf der Welt dieselben Chemikalien eingesetzt werden,
um jegliches konkurrierende Leben von den Reben fernzuhalten? Um einen wirklich authentischen Wein zu machen, da ist sich Miquel Manresa ganz sicher, muss man die Sache anders angehen. „Die Erde“, sagt er und macht eine Pause, „die Erde muss immer das letzte Wort haben“, ergänzt er. Die Sonne lässt ihn die Augen etwas zukneifen,
und es sieht aus, als blicke der 52-jährige Mallorquiner den Gesprächspartner prüfend an. Diesen Satz hat er schon oft gesagt, das spürt man. Und man spürt auch, dass er dabei jedes Mal darauf hofft, dass etwas von dieser schwer verständlichen Botschaft beim Gegenüber ankommt. Von dieser Botschaft, an der er sich selbst seit Jahren abrackert.
Die Erde muss immer das letzte Wort haben
Die Erde – also den Boden, die Natur – will Manresa so wenig belästigen wie irgend möglich. Und so sieht es im Weinberg auch aus.
Umgegraben wird nicht, die Gräser sprießen, die Insekten schwirren, sogar Vögel nisten zwischen den Reben. „Ich will der Natur dieser Insel etwas zurückgeben“, sagt der Biowinzer, als müsse er ein belastendes Karma aus der Vergangenheit abarbeiten. Das Startkapital der Bodega stammt aus einem Tabakladen und einem Supermarkt, die die Familie in Cala d‘Or – in der „Bucht des Goldes“ – besaß. Nicht allen tat der Tourismus-Goldrausch gut.
„Im Dorf hat der Alkohol viel Schaden angerichtet“, erinnert sich Manresa.
Sein Vater, der vorher ein Leben als Bauer geführt hatte, starb früh. Von dem Geld aus dem Tabakladen kaufte Manresa ein Stück brach liegendes Land, auf dem ein deutscher Investor mit einem großen Bauprojekt gescheitert war.
Das war die Geburtsstunde der Bodega „Son Alegre“ – frei übersetzt „Ort des Frohsinns“. „Wenn ich richtig viel Geld hätte, wäre das hier eine Nichtregierungsorganisation“, sagt der Mann, der in seinem Betrieb gerne auch Leute aus dem Dorf beschäftigt, die in ihrem Leben eine zweite Chance suchen.
Der Mann streift sich die Ärmel des schlichten schwarzen T-Shirts nach oben, entkorkt einen Calonge 1715 und schenkt den Gästen großzügig, sich selbst eher bescheiden ein. Ein Besucher fragt ihn, ob denn die Naturbelassenheit des Bodens wirklich im Geschmack des Weines bemerkbar sei. Manresa denkt nach, so als habe er sich die Frage selbst noch nie gestellt. Oder so, als wisse er zwar die Antwort, müsse aber überlegen, wie er sie am verständlichsten formuliert:
„Acht Jahre lang wurde der Boden hier nicht gepflügt, und das ist noch nicht genug.“ Die Erde brauche noch viele Jahre, um das Trauma der Vergangenheit zu überwinden. Vor dem Weinberg grasten hier Kühe. Um ausreichend Grünzeug zu produzieren, wurde extensiv bewässert. Der Grundwasserspiegel sank, das Wasser wurde immer salziger. „Ich bewässere so wenig wie möglich, gerade so, dass die Reben den heißen Sommer überleben. Das Grundwasser muss sich erholen.“
Die Natur regeneriert sich selbst
„Acht Jahre lang wurde der Boden hier nicht gepflügt, und das ist noch nicht genug.“
Text: Tom Gebhardt
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